Bei strahlendem Sonnenschein starteten wir an einem Donnerstag Ende November in Richtung spanische Grenze. Für die Hinfahrt hatten wir das Navi auf *Autobahnen vermeiden* eingestellt und so führte uns die Route auf kleinen und sehr kleinen Straßen nach Süden. Statt einer Stunde und 20 Minuten auf der Autobahn waren wir fast drei Stunden unterwegs. Aber es lohnte sich. Zumindest die ersten drei Viertel der Strecke, die über Bages, Port-la-Nouvelle und Leucate immer direkt am Meer entlang führte.
Sobald man jedoch Saint Cyprien hinter sich gelassen hat, folgen zugebaute Küstenabschnitte von teilweise grotesker Hässlichkeit. Vor allem rund um Argèles Plage scheinen im Sommer die Urlauber Gefallen an riesigen Campingplätzen, bunten Plastik-Rutschbahnen namens ›Aqualand‹ etc. und 1-2-3-Pizza-zum-Mitnehmen-Schleuderservice-Buden zu finden. Nur gut, dass der Wahnsinn einige Kilometer später ein Ende hat. Collioure könnte man als intakt gebliebenes ›Fischerdorf‹ (ca. 2.500 Einwohner) bezeichnen, wenige km vor der spanischen Grenze am Côte Vermeille genannten Küstenabschnitt gelegen. Seine beiden, durch eine Burg getrennten Buchten und die weit ins Meer vorgeschobene Wehrkirche sind der touristische Anziehungspunkt schlechthin und lassen die Fotoapparate heiß laufen.
Bei einem Spaziergang durch den Ort stößt man auf all die farbigen Spektakel, die Maler wie Matisse, Derain, Picasso, Braque und viele andere angezogen haben: Rostrote Felsen, tiefblaues Meer, quietschbunte Details.
Die vielen leuchtenden Farben dienten den Künstlern als Grundlage für eine Malerei, die ohne Kontur strahlende Farben nebeneinander setzte und dadurch eine reine Harmonie entstehen ließ, die Matisse als ›geistigen Raum‹ bezeichnet hatte. Die Bedeutung des Lichts nimmt ab, ein aus dem Gefühl des Künstlers entstandener Farbraum tritt in den Vordergrund.
Collioure 1905 – Öl auf Leinwand – André Derain
Unser Spaziergang führte uns schließlich an die Strandpromenade, ›Boulevard du Boramar‹ genannt, wo es die dicht gedrängten Lokale allem Anschein nach nötig haben, mit ›Schleppern‹ Gäste anzuwerben »messieurs dames, voilà«, »entrez, entrez!« rufen einem die mit Speisekarten wedelnden Kellner zu und machen einladende Bewegungen. Ein guter Grund, die Schritte zu beschleunigen und in die nächste ruhige, winzige Gasse abzubiegen. Wenn man dann so viel Glück hat, wie wir, landet man am ›Place du 18 juin‹ vor einem kleinen, katalanischen Lokal namens ›La Marinade‹, erwischt einen Platz in der Mittagssonne und stößt auf der Karte auf gegrillte Sardinen … Freundlicher Service, moderate Preise, exzellentes Essen, von bunten Häusern umgeben, von einem riesigen Baum beschützt – was will man mehr?