Das war 2021

Retro- und Perspektive

Das vergangene Jahr hat unser Weltbild ziemlich ins Schleudern gebracht. Sars-Cov-2, COVID-19 oder schlicht Corona beherrschte die täglichen Schlagzeilen. Unter “shutdown” versteht der Duden nicht mehr nur “das Herunterfahren eines (technischen) Systems)” und “lockdown” findet man jetzt auch in dem dicken, gelben Rechtschreib-Alleswisser. Der Zeitpunkt, an dem das alles “vorbei ist”, wird intensiv herbei gesehnt, obwohl nach neuesten Ankündigungen noch viele Wochen (wenn nicht Monate) mit Einschränkungen, Schließungen, An- und Verordnungen ect. vor uns liegen dürften. Bei einer aktuellen Inzidenz von 130,4 (Département Aude, 3.1.2021) liegt leider auch im Süden Frankreichs die Wieder-Öffnung von Restaurants und Cafés in weiter Ferne. Was dazu führen kann, vergessenen und verstaubten Kochbüchern eine neue Chance zu geben und die Küche plötzlich zum zentralen Punkt des Hauses (und diesen Blog noch koch- und ess-lastiger/lustiger) macht.

Während im vergangenen Winter die Temperaturen deutlich über dem Durchschnitt lagen, ist es diesen Januar eisig kalt – auf den gerade Mal 700 m hohen Hügeln, 15 km nördlich von, uns glänzt es weiß. Sollte der Wetterbericht Recht haben, erwarten uns zwei Wochen mit Temperaturen um die 5° tags und 0° bis stundenweise -3° nachts. Zitronen-, Orangen- und Mandarinenbäumchen sind gut eingepackt, erst heuer gepflanzte Mimosen und Oleander dick umwickelt. Viele Pflanzen halten kurzzeitige Minusgrade ganz gut aus (Oliven!), aber 2 Wochen Frost wären schon grenzwertig. Hoffen wir das Beste!

Und wie immer darf natürlich das Familienbild vom gemeinsamen Weihnachtsfest nicht fehlen!
Ich wünsche allen unseren Freunden ein glückliches und vor allem gesundes 2021er. Eigentlich kann’s ja nur besser werden ….

 

Das war der … Januar

Nach einer saukalten und windigen ersten Januarhälfte, in der rund um La Clape und auf die umliegenden Hügel sogar etwas Schnee gefallen ist, besserte sich das Wetter deutlich und bescherte uns zum Monatsende teilweise frühlingshafte Temperaturen. Während sich die monatlichen Niederschlagsmengen zwischen Narbonne (55 mm) und München (53 mm) kaum unterschieden, gab es bei den Durchschnittstemperaturen im Januar deutliche Unterschiede (München: minus 1,8° / Narbonne: plus 7,1°). Neben der gefühlten Wärme ist vor allem das Licht für ein wohliges Gefühl ausschlaggebend.

   

 

März – WINTER, ADE! FRÜHLING, JUCHHE!

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben spricht in seinem Gedicht “Winter ade!” aus, was wir seit ein paar Wochen schon fühlen. Der “Winter” (so weit im Süden würde man es als Münchner eher “frischer Frühling” nennen) ist vorbei. So gegen Mitte Oktober beginnt hier eine mehrmonatige milde Herbst/Frühling-Phase mit viel Wind und ordentlich Regen. Ab und zu sinken die Temperaturen kurzfristig sogar auf 0° oder darunter, können den gut eingewachsenen Palmen und Oliven aber nichts anhaben. Junge Orangen- und Zitronenpflanzen, zarte Mimosenbäumchen und empfindliche Exoten muss man aber schützen oder in den Schuppen verfrachten.

Ende Januar geht’s los. Mirabelle oder Mandel blühen im Wechsel als Erste, gefolgt von Aprikose und Pfirsich. Mitte Februar beginnen die Feigen auszutreiben und bald darauf kann man die ersten Früchte erkennen. Und im März schließlich beginnen die Gärtnereien aufzurüsten. Hunderte von Töpfchen mit allen erdenklichen Tomatensorten, Paprika, Chilis, Artischocken, alle wichtigen Kräuter, Salatpflänzchen, usw. verschwinden ruckzuck in den Einkaufswägen der ungeduldigen Kundschaft.

   

Der Gemüsegarten freut sich über eine dicke Schicht besten Humus vom umgesetzten Kompost, früh Gepflanztes/Gesätes wächst bereits prima (Stangensellerie) oder schlummert friedlich in der Erde (Kartoffeln). In den Weinfeldern ist der Rückschnitt fast überall abgeschlossen, hier und da gehen die ersten Knospen auf. Eine gute Gelegenheit, sich mit Reb(schnitt)holz einzudecken, das – kleingeschnitten und gut getrocknet – im Spätsommer eine ausgezeichnete Grundlage für würzige Grill-Abende über offenem Feuer verspricht.

   

Pünktlich zum kalendarischen Frühlingsanfang und dem »Nouruz« (dem iranischen Neujahrsfest) hat das Wetter umgeschlagen und erfreut uns mit viel Sonne und milden Nachmittagen (durchschnittlich bis 17°). Und weil man immer noch ein freies Plätzchen findet, haben wir uns in die samstägliche Kolonne der Gärtnerei-Besucher eingereiht und neue Terrakotta-Töpfe, Pflanzerde und weitere Pflanzen/Pflänzchen erstanden. Eine große, robuste »Washingtonia filifera«, die zukünftig am Pool neben den Liegen stehen wird sowie weitere Him- und Stachelbeeren und zwei pilzresistente Reben (Chasselas und Muscat blanc ), deren Trauben als Beilage zu gebratener foie gras eingeplant sind.

Das heißt, es werden einige Nachmittage in der Garten-Kluft folgen, bevor es dann ans Putzen des Pools, an das Bestücken der Terrasse mit den Gartenmöbeln, an die Pflege und Wiederinbetriebnahme der Bewässerungsanlage (mit knapp 500 m verlegter Versorgungs-Leitung, 16 Kreis-Regnern, mehr als 200 kleinen Tropfen-Sprinklern kein unerheblicher Aufwand) und (sobald im Keller konstante 15° herrschen) ans Abfüllen des letztjährigen Weins geht.
Viel zu tun, aber gibt’s was Schöneres …?

 

 

 

April – Bilder sagen mehr als Worte

Auf einen kühlen März mit wenig Regen aber heftigen Windstärken folgte ein bisher sehr wechselhafter April. Während uns die erste Woche viel Sonne und T-Shirt-Temperaturen spendiert hatte, zeigt sich die zweite Woche von ihrer unschönen Seite: Eisige Temperaturen gefolgt von 2 Tagen Dauerregen. In den umliegenden Rebzeilen schlug die Kälte, kombiniert mit Wind, gnadenlos zu und ließ mehr oder weniger viel Wein erfrieren. Unsere Nachbarin, Marine von der Domaine de la Fondelon hatte noch Glück im Unglück, aber es gab auch Totalverluste in manchen Gebieten … da ist es nur ein kleiner Trost, wenn der Staat sagt, er wolle die betroffenen Weinbauern “entschädigen”.

Tagsüber ist es schön warm und das Thermometer klettert schon mal auf 22°, aber nachts geht’s dann runter bis auf 3° oder 4°. Laut “météo” soll der Spuk aber bald vorbei sein und wenn der Frühling mal die Kurve gekratzt hat, dauert es nur noch ein paar Tage bis auch der Pool bei 20° angekommen ist. Bis dahin erfreut sich der staunende Hobbygärtner an blühenden Zitronenbäumchen, farbiger Blumenpracht und rasant wachsenden Artischocken – mit Vinaigrette, Baguette und einem kühlen Weißen immer wieder eine Gaumenfreude.

   

   

   

   

 

Mai – Festwoche

Jedes Jahr gibt es bei uns drei knapp aufeinander folgende Anlässe zum Feiern. Dass alle drei innerhalb einer Woche stattfinden, ist eher selten, war aber heuer der Fall. Es sind der Hochzeitstag am 24., Christines Geburtstag am 25. und Yannicks Geburtstag am 29. Mai. Zum Glück hat heuer – trotz erschwerter COVID-19-Situation – alles funktioniert und Yannick und Sydney konnten in dieser Woche bei uns sein.

Bei überwiegend schönem Wetter wurde festlich gegessen und getrunken, gequatscht und viel gelacht, Boule gespielt, gegrillt, in der Abendsonne gelegen und gebadet. Sowohl Yannick als auch Sydney konnten einige “Arbeitstage” unterbringen und mussten nur wenige Urlaubstage nehmen. Das ist dann der Vorteil vom Homeoffice …

Den Anfang machte am 24.5. traditionsgemäß das “La Cambuse du Saunier”, kurz La Cambuse, ein Fisch- und Meerestier-lastiges Lokal direkt an den Salinen von Gruissan. Zum eisgekühlten Rosé aus der Gegend gab es u. a. die “Assiette du Saunier”, eine Platte mit frischesten huîtres, crevettes mit Aioli, moules und jeder Menge köstlicher bulots (Wellhornschnecken) sowie ausgezeichnete couteaux (Messermuscheln) mit viel Knoblauch und Petersilienbutter.

      

Christine wollte an Ihrem Geburtstag keine stressigen Termine vor der Nase haben und so schliefen wir alle lange aus, um uns um 14.00 Uhr zu einer gigantischen Sushi-Platte zu treffen. Nach eineinhalb Flaschen Heidsieck Monopole 2010 war dann auch das nötige Zielwasser intus, um eine ausgedehnte Partie Pétanque zu spielen. Das Team Papa/Sydney ließ dem Team Mama/Yannick keine Chance, doch die Niederlage ließ sich mit Hilfe von Pasionsfrucht/Himbeer-Kuchen und Cappucciono leicht verschmerzen.

   

Die restliche Woche war gemütlich und sehr erholsam und hatte am Samstag mit Yannicks Geburtstag einen letzten Höhepunkt. Dem Tipp des kleinen Weingutes “Pierre Fil”, bei dem wir sehr gerne einkaufen, folgend, hatte ich schon 14 Tage vorher einen Tisch reserviert. Da “drinnen essen” noch bis zum 19. Juni verboten ist, sind die wenigen Plätze, die kleinere Restaurants anbieten dürfen/können, in der Regel schnell weg. So auch im “Aux 2 rivières”, einem winzigen Lokal in Minerve, das draußen gerade mal 16 Plätze zur Verfügung stellen kann.

   

 

Juni – Brocante in Pézenas

Zwei Mal im Jahr, im Frühsommer und im Herbst findet in Pézenas ein riesiger “Antiquitäten-/Floh-/Trödelmarkt” statt. Pézenas, beschauliche Kleinstadt, in der Molière wiederholt Gastspiele gab, liegt ungefähr auf halber Strecke zwischen Narbonne und Montpellier und bietet viel fürs Auge. Reizvolle Innenhöfe wechseln sich mit gewichtigen Stadtpalästen ab, schmale Gassen locken mit kleinen Restaurants, die Altstadt ist mit Boutiquen, Galerien, Cafés und anderen Touristenmagneten reichlich gesegnet. Sehr lobenswert sind die vielen Hinweisschilder (auch in deutscher Sprache), die im ehemaligen jüdischen Viertel ausführliche Informationen zur Geschichte des Ghettos anbieten.

Wer auf der von Süden kommenden Straße (Route de Béziers) nach Pézenas kommt, um den brocante zu besuchen, biegt am besten kurz vor dem Carrefour links ab und folgt 200 m den Wegweisern Richtung Camping. Nach einer Linkskurve steigt die Straße leicht an und bietet hervorragende, teilweise sogar schattige Parkmöglichkeiten. Zurück auf der Hauptstraße Av. de Verdun, die kurz darauf dann für den Verkehr gesperrt ist, geht es zuerst einen halben Kilometer an den “professionellen” Händlern vorbei, die ihre besten Stücke an diesem Tag auf die Straße geschleppt haben. Zu jedem sehenswerten Sammelsurium gehört noch ein Geschäft oder Innenhof, in dem es unzählige weitere Kleinode zu entdecken gibt.

   

   

Wer dank Kopfbedeckung und Sonnenschutzcreme das Ende der Aussteller unversehrt erreicht hat, kann auf dem Rückweg die Angebote auf der anderen Straßenseite inspizieren. Unsere Ausbeute beim heurigen Besuch waren u. a. eine Wandlampe, die zukünftig die Treppe zum Weinkeller erleuchten soll, verschiedene Stoffe, die Christine zu Kissen und Decken umarbeiten wird, alte, schwere Marmeladengläser, die sich gut für Windlichter eignen, eine uralte, wunderschöne Gartenschere, kleine Metall-Tabletts und ein wohlgeformtes Weinglas. Kurz bevor man wieder den Ausgangspunkt erreicht, wartet mit dem “Les Marronniers” ein kleines Lokal, das mit schattigen Plätzen unter Kastanien Erinnerungen an gemütliche, alte Biergärten hervorruft. Genau das Richtige für müde Knochen, knurrende Mägen und ausgetrocknete Kehlen. Da akzeptiert man sogar, dass es am “Flohmarkt-Sonntag” nur ein 30-€-Flohmarkt-Menü gibt. Allerdings sollte man rechtzeitig reserviert haben, eine Woche vorher ist es meistens schon “complet”.

 

August – Toujours Pétanque

La pétanque exige plus de précision que les courses, les cartes, la Bourse ou le mariage.
(Joueur de pétanque anonyme)

So ganz genau kann ich mich nicht erinnern, wann ich das erste Mal mit “Boule” in Kontakt gekommen bin, ich glaube, es war 1976 während einer der ersten Frankreich-Fahrten. Wir hatten auf gut Glück auf der Landkarte einen Campingplatz an einem vielversprechenden Strand nahe Sète ausgesucht und gebucht: Sérignan Plage. Ein Glücksgriff für viele weitere Jahre.

Bei einem unserer Ausflüge – neben Andorra standen u. a. Albi, Carcassonne, der Pont du Gard, der Mont Ventoux und manch anderes auf dem Programm – in einem Dorf irgendwo auf dem Land, kehrten wir zum Mittagessen ein. Gleich neben der Terrasse des Lokals, eingerahmt und beschattet von Platanen, hatten die örtlichen Boule-Spieler ihren Spaß. Mit “pointer – non, tirer!”, “impeccable”, “merde, un bec”, “oi, une casquette!” usw. unterhielt man sich in einer uns völlig unverständlichen Sprache. Aber das Spiel schien einen Mordsspaß zu machen. Ab und zu kam einer der Teilnehmer ins Lokal, um ein weiteres Gläschen “Rouge, mais frais, s.v.p.” zu holen, während auf der sandigen Spielfläche die Kugeln klapperten.

Mit preisgünstigen Anfänger-Kugeln im Gepäck ging es zurück nach Hause, wo ein am Abend nicht mehr frequentierter Spielplatz, genauer gesagt, eine optimal sandig-kiesige Fläche neben dem Sandkasten, zudem günstiger Weise gegenüber einer Wirtschaft gelegen, unser Boulodrome wurde. Der kühle Rote aus Okzitanien wurde durch bairisches Weißbier ersetzt und die reichlich importierten Gitanes und Gauloises schmeckten plötzlich wie im Urlaub.

45 Jahre später ist die Wirtschaft längst verschwunden. Ob es den Spielplatz noch gibt – ich weiß es nicht. Hätte er teueren Appartementhäusern weichen müssen – es würde mich nicht wundern. Und auch der eine oder andere Freund und Boule-Spieler hat inzwischen leider die Reise über den großen Fluß angetreten (RIP Martin und Luggi).

Christine und ich haben 2019 ein neues Kapitel begonnen und uns einen Traum erfüllt: Ein Leben im Ruhestand im sonnigen Süden. Witziger Weise keine Dreiviertelstunde von Sérignan Plage entfernt, steht unser Haus mit großem Garten mitten in den Weinbergen. Nach Arbeiten im Hof, im Garten, im Gemüsegarten und im/am Haus kam mir die Idee, eine dünn mit Unkraut bewachsene Fläche in ein kleines Boulodrome umzubauen. Mit 3 x 9 m etwas knapp, für ein Spielchen in der Abendsonne aber völlig ausreichend. Nach ein paar Tagen planen und skizzieren war es am 8. Juni dann so weit. Unser Nachbar Tom, mit jeder vorstellbaren Maschine ausgerüstet, fräste die vorgesehene Fläche 25 cm tief aus, worauf ich – Schubkarre für Schubkarre – das Erdreich entfernte.

Ein paar Tage später und nach der letzten Schaufel Erde mussten die Kanten noch so gerade wie möglich abgestochen werden, um später die geplante Randbefestigung aus dicken Holzbalken einpassen zu können. Um dem Unkraut etwas entgegen zu setzen, bekam das Gelände eine “Abdichtung” aus wasserdurchlässiger, spezieller Folie. Mit Tom, der natürlich auch einen Anhänger mit knapp 2 Tonnen Zuladung besitzt, fuhren wir zu einem Händler in der Nähe, der Kies, Steine und Sand in allen möglichen Größen und Qualitäten vorrätig hat. Entsprechende Balken waren ebenfalls schnell besorgt und somit begann für mich der zweite Teil mit Schaufel und Schubkarre.

3,9 Tonnen “Sable de Pignan”, ein Sand speziell für Pétanque-Gelände, mussten schlußendlich bewegt werden, um eine anständige Unterlage zu erreichen. Zwischendurch wurden die Holzbalken eingesetzt, miteinander verschraubt und Metallkanten als Schutz vor anprallenden Kugeln montiert. Jetzt war Geduld gefragt. Denn vor dem ersten Spiel muss so ein Gelände ein paar Tage lang gewässert und gewalzt werden bis ganz zum Schluss noch 1 bis 2 Eimer feiner Split sozusagen die i-Düpferl auf der Boule-Bahn werden.

   

 

Oktober – Noilly Prat

 

Der Ort Marseillan, zwischen Agde und Sète am Étang de Thau gelegen, beherbergt seit über 150 Jahren den Hersteller des allerersten trockenen, französischen Vermouths, die Firma Noilly Prat (das »t« am Ende wird mitgesprochen). Während Signore Carpano den ersten süßen Vermouth Italiens kreierte, gilt Monsieur Noilly (Sohn Louis und Schwiegersohn Claude Prat sind die Firmengründer) als derjenige, der den ersten französischen Vermouth entwickelt hat.

Ein Besuch des Hauses führt uns in eine riesige Halle, in der sämtliche Produkte in kunstvoller Anordnung zu bewundern sind. Pyramiden des »Original Dry« und »Extra Dry« (beide mit grünem Etikett), »Rouge« (rotes Etikett) und »Ambre« (gelbes Gewand). Bei einer kleinen Vergleichs-Degustation erinnerte der Ambre deutlich an die süße, italienische Variante, der Rouge – mit Anklängen von Schokolade – empfahl sich bestens für bittere, süße Cocktails. Dem Negroni-Liebhaber wird es jedoch nicht leicht gemacht, denn dieser exzellente Vermouth kann ausschließlich vor Ort und in den USA erworben werden (in Spanien soll er vertrieben werden, zu Gesicht habe ich ihn aber noch nicht bekommen).

Der Original Dry dagegen gilt in unserer Küche als unverzichtbar, rundet er doch manchen Risotto mit Spargel, Tagliatelle mit Lachs oder auch geschmortes Huhn mit Sahne und Thymian vorzüglich ab.

 

Die Rezeptur des Vermouths ist bis heute geheim, was man jedoch weiß: Clairette und Picpoul de Pinet werden als weiße Grundweine vinifiziert und reifen etwa 12 Monate in Holzfässern, der süße, nur teilvergorene Most »Mistelle« liegt derweil in riesigen Fässern aus kanadischer Eiche im Keller. Die ganz besondere Reife und Oxidation der Grundweine wird dadurch erreicht, dass man sie im Innenhof unter freiem Himmel lagert. Dadurch sind die Fässer Wind, Sonne und Regen ausgesetzt, was die früheren Bedingungen einer langen Transportreise auf Segelschiffen simulieren soll. Zusätzlich werden sie täglich mehrmals bewässert (wie ein Blick durch das Schlüsselloch zum Hof, »l’enclos genannt, verrät).

 

Nach 12-monatiger Reife werden die einzelnen Partien zusammengefügt und in große, ovale Fässer umgefüllt, bevor der letzte Schritt erfolgt, die Zugabe der geheimen, jeweiligen Gewürz- und Kräutermischungen. Weitere 6 Monate Wartezeit sind nötig, damit sich der Wein mit den verschiedenen Aromen verbinden kann, bevor endlich abgefüllt wird.

Gut ausgestattet mit etlichen Flaschen des wunderbaren Vermouths im Gepäck, bieten sich ein Bummel durch Marseillan und – für Austern-Freaks – die knapp 10-minütige Weiterfahrt ins » Le St Barth’« an, wo man die einzigartigen Austern der Familie Tarbouriech genießen kann.

 

Oleum Olivarum

Seit mindestens 8.000 Jahren wird aus den Früchten des Ölbaums, aus Fruchtfleisch und Kern ein köstliches Öl erzeugt, das Olivenöl. 

Um gleich mal mit ein paar Vorurteilen aufzuräumen:

Gelbliches Öl taugt nichts.
Falsch. Die Farbe des Öls sagt nichts über die Qualität aus. Goldgelbes Öl enthält einfach mehr Carotin, grünes mehr Chlorophyll.
Olivenöl ist gleich Olivenöl.
Nein! Ausschließlich “natives” Olivenöl ist hochwertig.
Auch das eindrucksvollste Etikett eines “Abracadabra-Olivenöls” hat nichts zu bedeuten. Fehlen die Zusätze “nativ” und/oder “extra”, handelt es sich um eine Mischung aus raffiniertem Öl (das pur gar nicht an Verbraucher abgegeben werden darf) und nativem Öl, wobei das Mischungsverhältnis frei gewählt werden kann und “Olivenöle” somit zwischen 1% und 99% minderwertiges Raffinat enthalten können.
Olivenöl raucht sofort in der Pfanne.
Dass Olivenöl nicht stark erhitzt werden darf, ist ein weit verbreitetes Vorurteil. Ganz im Gegenteil ist Olivenöl – nach Kokosöl – das Öl mit der besten Hitzebeständigkeit und eignet sich hervorragend zum Braten und Frittieren. Mehr als 170° sollten aber nicht erreicht werden, da sonst die enthaltenen Antioxidantien zerstört werden.
Italienisches Olivenöl ist das beste.
Nun, es gibt sicher ganz ausgezeichnete italienische Öle, so wie es auch erstklassige griechische, portugiesische oder chilenische gibt. Im Gegensatz zu Frankreich oder Griechenland beispielsweise, existieren aber keine geschützten Herkunftsbezeichnungen. Und da Olivenöl (weltweit zusammen mit Milch und Honig) zu den meist gefälschten Lebensmitteln gehört, verwundert es nicht, wenn bei Proben öfters mal “italienische” Öle gefunden werden, deren Herkunft nicht nachweisbar ist. Beliebt ist angeblich der Import hochwertigen griechischen Öls, um es dann mit minderwertigem italienischen zu “strecken” und – vor allem deutschen Verbrauchern –  als “echt italienisch …….” zu verkaufen. Überteuert, eh klar.

Und noch ein paar verblüffende Zahlen:
Französische Olivenbauern produzieren im Jahr rund 5.000 Tonnen Olivenöl, das ist ungefähr ein Fünfundzwanzigstel der portugiesischen Menge. Aber Frankreich wir nicht nur von Portugal überholt, sondern auch von Italien (ca. 280.000 t) und vielen anderen (Algerien ca. 100.000 t), (Griechenland ca. 330.000 t) …. Unangefochtener Spitzenreiter ist seit Jahren Spanien, aktuelle Zahlen nennen eine Produktion von 1.800.000 t.

 

Da weiß man doch gleich die Menge reifer Oliven, die man mühsam vom Baum pflückt, anders einzuschätzen. Wir hatten ein sehr gutes Olivenjahr und konnten im November knapp 60 kg Oliven ernten, etwa 10 kg pro Baum. Handgelesen, um eine einwandfreie Qualität zu erhalten, nicht mit Stöcken runter geschlagen! Die 20 Minuten entfernte Kooperative “Oulibo” nimmt gute Ware gerne an und verarbeitet sie innerhalb weniger Wochen zu ausgezeichnetem “Huile d’olive vierge extra”. Die Verarbeitung, das Abfüllen in wohlgeformte 0,75 l Flaschen und die gesetzlich vorgeschriebene Etikettierung lässt man sich zwar gut bezahlen, aber wenn man unterm Strich für 60 kg Oliven Öl im Wert von 200 Euro bekommt und dafür 45 Euro “anteilige Verarbeitungskosten” bezahlen muss, kann man nicht meckern.

So, liebe Freunde und Leser. Das war’s für 2021. Ein Jahr, das für die meisten von uns sicher nicht so verlaufen ist, wie wir es erwartet hätten. Aber Jammern nützt nichts, man muss das Beste draus machen. In diesem Sinn:

Herzliche Grüße aus Okzitanien und ein fröhliches, gesundes 2022er !
Avec nos amitiés de l’Occitanie et une belle glissade jusqu’en 2022 !