Skifahren in Andorra 🇦🇩

Vor der ersten, interessanten Abfahrt heißen für den Anfänger auf Brettern die Zauberworte ›Skischule‹ und ›Idiotenhang‹. Mit Übung und Talent folgen – zumindest für einen Münchner – die ersten Schwünge am Roßkopf, in Ellmau oder in Achenkirch, auf der Hohen Salve, am Wendelstein oder in Kitzbühel. In kurzer Zeit erreichbar, teilweise anspruchsvolle Pisten, Bratwurst, Bier und Schnitzel überall.

Wenn es dann etwas anspruchsvoller werden darf, geht die Fahrt meistens in die Innsbrucker Skigebiete. Auf der Axamer Lizum, am Patscherkofel und in Hintertux kann man es schon ganz schön krachen lassen. Von der Kampenwand oder dem Hafelekar ist noch nicht die Rede, dafür auf jeder Hütt’n Jagatee.

Und eines Tages ist es dann so weit. Auf in die Dolomiten! Gröden – Arabba – Cortina d’Ampezzo – Marmolada. Speckbrett – Lasagne – Knödlsupp’n. Dreieinhalb Stunden Anfahrt werden mit mehr als 1.000 km Piste belohnt, sogar Heli-Skiing ist im Angebot.

Schließlich die Krönung. Schweiz und Frankreich. Schwyzer Chaasfondue und Entrecôte. Scuol (2.800 m), Saas Fee (3.000 m), Val Thorens (3.200 m), Veysonnaz (3.300 m), Les Deux Alpes (3.400 m) und ganz oben auf der Sehnsuchtsskala: Chamonix (3.842 m).

Ein Skigebiet schöner als das andere. Wenn sie halt nicht ihre Schattenseiten hätten. Völlig überlaufen am Wochenende, Stau schon auf der Autobahn, Drängler, Rennsemmeln, Schreihälse, Auf-die Ski-Treter (D/ A). 800 – 1.000 km ermüdende Anfahrt (F), Self-Service mit Roastbeef für 30 Franken (CH), aufgebrezelte Kuhställe mit Schampus-Bar (I). Schade.
Wohin also, als Ski-Aficionado?

 

Ganz einfach: Andorra.
Das Beste aus der französischen und spanischen Küche vereint. Ungefähr so viele Einwohner wie in Bamberg (ca. 80.000) leben auf 468 km2, das entspricht so ziemlich der Größe Frankfurts. Eine einzige Hauptstraße durchquert das Fürstentum von NO nach SW. Beginnend am Pas de la Casa, folgen die Orte Soldeu, El Tarter, Canillo und Encamp, die sich zum Skigebiet ›Grandvalira‹ zusammen geschlossen haben. Wer einen Skiurlaub dorthin plant, kann HIER weiterlesen. Von der Hauptstadt Andorra La Vella sind es noch 13 wenig aufregende Kilometer und schon erreicht man bei Duana de Sant Julià de Lòria spanischen Boden. Erstaunt stellt man fest, dass die Durchquerung von Andorra keine Stunde gedauert hat.
Ein weiterer »Ort«, der zum Skigebiet zählt, ist Grau Roig. 10 km nach Pas de la Casa zweigt man auf eine Stichstrasse ab und erreicht 3 Minuten später einen großen Parkplatz.

 

Parkplatz? Abwarten!

Hier starten mehrere Schlepper für Kinder und Skikurs-Teilnehmer sowie vier lange Sessellifte, die uns von 2.100 auf knapp 2.600 m bringen. Hier gibt es eine Station mit Skipass-Verkauf, einige Restaurants (alle nahe der Lifte gelegen und nur bis 16.00 Uhr offen) und ein einziges (!) Hotel, namens Grau Roig. Ein cooles, erstklassiges Hotel mit allem Komfort, ausgezeichneter Küche und fantastischem Frühstücks-Buffet. Obwohl täglich mehrere Busse mit andorranischen Nachwuchs-Rennläufern ankommen und auch viele »Einheimische« den Ort kennen, haben wir kein einziges Mal erlebt, dass in einem 6er-Sessellift alle Plätze belegt waren. Herrlich!

Leider (oder Gottseidank) ist dieses Paradies für viele Skifahrer uninteressant oder kaum erreichbar. Deutsche und Österreicher fahren keine 1.400 km, Schweizer bleiben eh am liebsten daheim, Norditaliener zieht es in die Dolomiten, Franzosen fahren in die Alpen oder bevorzugen – wenn sie nahe der Pyrenäen leben – die französischen Skigebiete (Grand Tourmalet, Porté Puymorens, Ax 3 Domaines, Peyragudes). So trifft man überwiegend Einheimische und Spanier, ab und zu ein paar Engländer. Da diesen Nationen ein gewisses »laissez-faire« angeboren ist, gestaltet sich sogar der Aufenthalt in den Bergrestaurants äußerst angenehm. Geordnetes Schlange stehen am Wein/Bierausschank, gemütliches Verspeisen von jamon, patatas bravas und tortilla, höfliche Zeitgenossen, Unterhaltung von Tisch zu Tisch, lachende Gesichter.